Moskau war für mich immer schon ein ambivalentes Reiseziel. Einerseits übte das ehemalige Zarenreich schon seit Jugendtagen eine Faszination auf mich aus. Andererseits hat mich das politische System davon abgehalten, mir selbst ein Bild zu machen. So eine gewisse Furcht schwang da immer mit. Mag sein, dass ich hier gestrig denke oder fühle, aber so ist das.
Nun war allerdings eine Gelegenheit gekommen, die mich dazu gebracht hat, das mulmige Gefühl zu überwinden, auch wenn es politisch zwischendurch schon bessere Zeiten gegeben hätte. Eine günstige Direktflug-Verbindung mit der russischen Fluglinie Pobeda zwischen Baden-Baden und Moskau-Wnukowo zu einem Preis, für den die Deutsche Bahn mich nicht mal nach Köln bringen würde, hat überzeugt. In nur 3,5 Stunden ist man in der russischen Metropole.
Die Einreise war wie erwartet. Die Grenzbeamten scheinen noch nicht mitbekommen zu haben, dass wir im 21. Jahrhundert leben. Lächeln scheint verboten. Eine angenehme Ankunft sieht anders aus. Wobei ich das in New York auch sage. Etwa 40 Kilometer muss man mit dem Auto zurücklegen, um vom Airport Wnukowo in die City zu gelangen.
Wir haben dazu einen der beiden empfehlenswerten Fahrdienste-Dienste (Gett oder YandexGo) genommen. Ihre Apps sind in englischer Sprache konfiguriert, so braucht es keine Russisch-Kenntnisse. Funktioniert bestens, ist zuverlässig und günstig. 20 Euro sind für die genannte Strecke, die in Abhängigkeit vom Verkehr eine runde Stunde dauert, wirklich wenig Geld. Eine Unterhaltung mit der Fahrerin war aufgrund unterschiedlicher Sprachen allerdings nicht möglich. Weil wir offensichtlich als Deutsche erkennbar waren, hat sie uns deutsche Schlager über ihr Smartphone zum Besten gegeben. Danke dafür. Die Stunde war schnell vorbei.
Vorbei geht es an hunderte Meter langen kahlen Wohnburgen, erst zum Zentrum hin werden die Gebäude älter und manche auch schöner. Feudal zeigt sich dann die City. Auf den Straßen fallen mir Super-Luxus-Limousinen ins Auge, die ich noch in keiner anderen Stadt dieser Erde in der Dichte gesehen habe.
Ältere Russen sprechen vielfach nicht Englisch. Die Jungen dagegen schon. Die jungen Leute zeigen sich weltoffen. Geben gerne Auskunft. Sie machen Moskau zu einer mondialen Metropole.
Ihr Lifestyle mit den Edelmarken der Welt und ihr selbstbewusster Mode-Style setzen Akzente. Aber machen wir uns nichts vor, was wir in Zentrum Moskaus erlebt haben, ist eine Elite. Die russische Lebenswirklichkeit findet man weiter draussen. So auf einem Markt, auf dem Russen bei Temperaturen unter Null Grad auf dem Boden sitzend Habseligkeiten feil bieten, auf die sie verzichten können. Käufer sind jedoch Mangelware. Als es dunkel wird, wird fast alles wieder eingepackt.
Wir schauen uns natürlich auch das an, was Moskau an Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Und auch der Kremel mit der Duma steht auf dem Pflichtprogramm. Viele Wege lassen sich in der City zu Fuß zurücklegen. Das macht natürlich hungrig. Kulinarisch hat mich Moskau positiv überrascht.
Mit dem Finger haben wir auf die Speisen gezeigt, die wir wollten. Auch wenn wir nicht wussten, was das war, geschmeckt hat uns fast alles. Es gibt viele Speisen mit Fisch. Das passt. Apfelstrudel – das hätte ich nicht gedacht – soll eine russische Spezialität sein. Aber Russland und Österreich sind einander ja nah, wie jüngere Skandälchen in der Politik gezeigt haben.
Der Weihnachtsmarkt auf dem Roten Platz braucht sich vor keinem anderen zu verstecken. Wer nach Corona die Möglichkeit hat, nach Moskau zu reisen, erlebt dieses kitschige Schauspiel in der Adventszeit. Das Kaufhaus Gum selbst erstrahlt in Millionen von Lichtern. Aber auch ein Besuch während der Öffnungszeiten solle man sich nicht entgehen lassen. Ein Kaufhaus dieser Art habe ich davor noch nicht gesehen.
Unser Tipp: Bei der Auswahl des Hotels sollte man nicht sparsam sein. Wir haben uns das 5-Sterne-Hotel „Peter1“ ausgesucht. Woher da die vielen Sternchen kamen, blieb uns verschlossen. Das durchgelegene Bett war nur mit einer ausgehängten Schranktür unter der Matratze zu ertragen.
Der Rückflug nach Baden-baden war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Unter den Passagieren nur 4 Deutsche. Baden-Baden hat um 1800 herum eine russisch geprägte Geschichte. Schon zur Zarenzeit war Baden-Baden die Sehnsuchtsstadt der Moskowiter. Deshalb ist die mondäne Kleinstadt mit den prunkvollen Gebäuden, der Spielbank und dem Schwarzwald bei Russen heute wieder sehr beliebt und wohl der Grund, warum es eine Direktverbindung zwischen Moskau und der kleinen Stadt gibt. Auch wenn uns Moskau fasziniert hat, möchten wir dort nicht dauerhaft leben und freuen uns schnell und wohlbehalten in der beschaulichen badischen Heimat angekommen zu sein. Ohne zu ahnen, dass wir viel Glück gehabt haben, diese außergewöhnliche Reise so kurz vor einer schlimmen Pandemie noch erlebt zu haben.
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